Tibetreise 2015 Header

Unterwegs mit Rokpa in Osttibet

Ein Beispielstag in Dechen am 24. November 2015

Los geht es morgens um 8:30 Uhr. Wir, Barbara Pfeiffer von Rokpa Deutschland und ich, werden im Hotel von Darje, einem Lehrer für Tibetisch der Dechen Künphen Schule abgeholt. Das Auto fährt ein Kollege von ihm, ein Freiwilliger, der in der Schule Mathematik unterrichtet.

Unsere Ziele sind heute mehrere. Wir wollen sowohl eine Nonnen- und eine Mönchshedra als auch ein Schule besuchen. Erstmal geht es die Passstraße hoch Richtung Süden. Am höchsten Punkt angekommen hält unser Fahrer netterweise. Eine tolle Aussicht von 4.292m Höhe. Weiter geht die Fahrt auf der sehr gut ausgebauten Straße, mal eher abwärts, mal wieder aufwärts, Tendenz fallend bis auf ca. 2.500m Meereshöhe.

Barbara Pfeiffer sortiert Unterlagen, geht noch mal die Fragen durch, die sie gleich den Nonnen, Mönchen und Lehrern stellen will. Zwischendurch gibt es Gespräche zwischen uns auf Deutsch, aber auch immer wieder zwischen Barbara und Darje auf Tibetisch, das Barbara sehr gut spricht.
Ich selbst kann mehr die Gegend und die Fahrt genießen.

Nach ca. einer Stunde Autofahrt biegen wir rechts in eine kleine steile Straße. Wir haben das Nonnenkloster erreicht. Schon stehen drei Nonnen zum Empfang bereit. Sie begrüßen uns herzlich mit einem Kata, dem traditionellen weißen Schal, den sie uns um den Hals legen. Dann gibt es eine Führung durch die verschiedenen Gebäude. In zwei Klassenräume dürfen wir eintreten. Die Nonnen sitzen in engen Reihen auf Kissen auf dem Boden, alle tief gebeugt über ihre Schulunterlagen. Ein Mönch erklärt – so habe ich den Eindruck – buddhistische Texte. Die Wände sind mit buddhistischen Malereien und Tangkas geschmückt.

Wir dürfen fotografieren (für die Berichte) – ein warmes Rot ist der Grundton der Bilder. Dann führt uns die Äbtissin durch das Hauptgebäude. Beeindruckend die Ausstattung der  Gebetsräume: viele Stoffbahnen schmücken den Raum, unterteilen ihn in verschiedene Bereiche. An den Wänden entlang, es wird immer im Uhrzeigersinn umrundet, finden sich wunderschön gestaltete buddhistische Figuren, verschiedene Gottheiten. Nach dem Rundgang werden wir in einen Empfangsraum geführt und mit Tee verköstigt.

Dann beginnt die eigentliche Hauptarbeit. Der Grund des Besuches ist ja sowohl über den aktuellen Stand der Anzahl der Nonnen als auch insgesamt über die Situation im Kloster und der Klosterschule zu hören. Es folgt ein langes Gespräch auf Tibetisch, wobei Darje immer wieder vom Orts-Tibetisch in Lhasa-Tibetisch als Übersetzer erforderlich ist. Ich stelle mir das für Beide, Barbara und Darje, sehr anstrengend vor. Dies erfordert hohe Konzentration, genaues Zuhören und natürlich auch ein möglichst genaues Wiedergeben. Dann übergibt Barbara ein Foto von Akong Rinpoche, das ihr Sechen Kontrul Rinpoche von Dolma Lhakang für die jeweiligen Besuche mitgegeben hatte.

Ich versuche mich in der Zwischenzeit mit Fotografieren nützlich zu machen oder still dabei zu sitzen und für interessante Fotomotive parat zu sein. Es folgen noch zwei weitere Gespräche / Interviews auf diese Art. Ein kürzeres mit der ehemaligen Klosterverwalterin, die Barbara von früheren Besuchen kennt und ein Interview mit einer 17jährigen Nonne. Am Ende dürfen Barbara und ich noch eine Toilette benutzen. Zu unserer Überraschung ist der Kloring mit einem Plüschbezug (schön warm, wenn es sonst kalt ist) bezogen.

Nach gut zwei Stunden geht die Fahrt weiter zu den Mönchen. Der Weg dorthin ist kurz. Von der Hauptstraße biegen wir links ab, einen schmalen Weg steil nach unten und schon kommt eine große Gompa, ein buddhistischer Tempel, in Sicht.

Auch hier werden wir vom Abt mit einem Kata herzlich empfangen. Und bekommen ein sehr leckeres Mittagessen serviert! Dann führt uns der Abt in die Bibliothek. Zur Erfrischung werden noch Getränke und etwas Obst hingestellt und dann folgen wieder Gespräche – ausführlich, belebt und jeweils mit Übersetzungen hin und her. Der Abt nimmt sich viel Zeit und sitzt in Ruhe und großer Aufmerksamkeit und Interesse den GesprächspartnerInnen gegenüber.

Am Ende haben wir noch die Chance die Mönche beim Debattieren zu erleben. Sehr beeindruckend und irgendwie auch lustig bzw. sehr lebendig. Wir werden dann noch mal vom Abt in einen Empfangsraum gebeten. Er müsse jetzt weg und wolle sich verabschieden. Zu meiner Überraschung bekommen wir Räucherstäbchen geschenkt. Barbara übergibt in einem Kata das Foto von Akong Rinpoche, das sogleich einen Platz im Raum erhält.

Wir fahren weiter zu einer Schule. Die Hauptstraße weiter und schon bald biegen wir links ab, einen kleinen Hang hoch. Schon von Weitem ist zu sehen, dass die Kinder Spalier zum Empfang stehen und alle halten einen weißen Kata in den Händen. Barbara, Darje und ich steigen vom Auto aus und die SchülerInnen begrüßen uns lautstark. Barbara wird von einem Lehrer herzlich begrüßt und an der Kinderreihe entlang zum Eingang der Schule geführt. Die letzten fünf bis zehn Kinder, ich weiß nicht genau wie viele, hängen Barbara Katas um den Hals. Tief bewegt folge ich, versuche das Kinderspalier fotografisch festzuhalten und bekomme am Ende ebenso ein Menge Katas um den Hals gelegt. Wir werden in das Lehrerzimmer geführt. Es gibt tibetischen Tee und ganz viel Obst ist in verschiedenen Schalen für uns aufgetürmt.

Der Lehrer, den Barbara schon von vorherigen Besuchen kennt, gibt ihr sofort zwei Blätter auf Tibetisch zum Lesen und liest es ihr im Anschluss noch mal laut vor. Mich berührt die Situation. Dann spricht ein Mönch auf Englisch. Seit einen Jahr sei er jetzt hier, gebeten worden zu kommen. Vorher sei er für mehrere Jahre in Indien gewesen. Es gibt wieder verschiedene Gespräche hin und her, die meisten mit Übersetzung mit Darje. Ich fotografiere. Im Anschluss führt Barbara mit zwei Mädchen, 13 und 16 Jahre alt, und mit einem Jungen, 14 Jahre alt, Interviews. Immer auf Tibetisch, meist mit Übersetzung durch Darje. Schon nur die Miniinfos, die Barbara mir zwischendurch auf Deutsch zu den Lebensgeschichten der Kinder
mitteilt, erschüttern mich tief.

Dann machen wir noch einen Gang durch die einzelnen Klassen. Grüßen, verteilen Bonbons und fotografieren. Ein Rundgang durch die Essens- und Schlafräume schließt den Besuch nach über zwei Stunden ab. Tief im Herzen berührt und sehr erfüllt steigen wir wieder ins Auto. Wir sind zum Essen verabredet.

Nach knapp 10 Minuten Autofahrt erreichen wir Ponzera und werden schon erwartet. Der Abt von der Mönchsshedra ist schon da und zwei Lehrer von der Schule. Zu Siebt setzen wir uns an einen runden Tisch und bei einem guten Essen klingt der Tag gemeinsam aus. Wir werden noch ins Hotel, in unser Zimmer begleitet. Müde aber auch sehr dankbar für die vielen schönen Begegnungen, die selbstverständliche Gastfreundschaft, die Offenheit und das Lachen der Kinder lassen wir uns auf die Betten fallen. Jetzt wäre noch Berichte schreiben dran, Fotos sortieren, den nächsten Tag vorbereiten. Etwas davon erledigen wir noch. Der Rest muss warten. Eingehüllt in die eigenen Erinnerungen beenden wir den ausgefüllten und bewegenden Tag, wissend dass der nächste wieder ähnlich sein wird.

Gerlinde Zorzi, Shangri-la, 27.November 2015