Yangzoms Lebensgeschichte ist bewegend. Sie war erst fünf Jahre alt, als beide Eltern starben und acht Kinder hinterließen. Der älteste Bruder kümmerte sich um seine jüngeren Geschwister so gut es ging. 1992, mit 12, hatte Yangzom großes Glück. Sie wurde in die erste Klasse der ROKPA-Waisenschule in Yushu aufgenommen.
„Davor hatte ich nie eine Schule besucht, genau wie meine Geschwister. Ich muss unglaublich schmutzig gewesen sein, denn ich hatte mich nie gewaschen, in meinem ganzen Leben nicht. Nach der ersten Nacht im blütenweißen Bett in der Schule schimpfte meine Lehrerin mit mir. Alles war schwarz geworden von meinem Schmutz, meinen dreckigen Füßen. Die Lehrerin schalt mit mir und stellt mich unter die Dusche, gab mir saubere Kleidung. Es war wie ein Wunder für mich. Alles war so sauber und vor allem, wir haben drei Mal täglich genug zu essen bekommen.“
Und einmal im Jahr kam Akong Rinpoche, der ROKPA-Gründer, und sah nach den Kindern. „Wir haben auf ihn gewartet, wie auf einen Vater. Wir wussten nicht, dass er an viele andere Orte gereist ist, reisen musste. Wir wussten nur, dass er einmal im Jahr für ein paar Tage zu uns kam. Und wenn er dann da war, haben wir ihn belagert, haben neben ihm, zu seinen Füßen, gesessen, seine Hand gehalten, uns gefreut, wenn er uns über den Kopf gestrichen hat und einmal sogar, haben wir ihn die ganze Nacht wach gehalten mit unseren vielen Fragen, unserer Sehnsucht nach Zuneigung. Er hat sich auch unsere Schulzeugnisse angeschaut und wenn wir ein Lob von ihm bekamen, waren wir besonders stolz. Und wenn er dann wieder wegfuhr, haben wir alle geweint.“
Yangzom war eine der Begabtesten, lernte auch gut Englisch. Sie gehört zur ersten Gruppe von vierzig Schülerinnen und Schülern, die durch ROKPA zu Ärzten der tibetischen Heilkunde ausgebildet wurden. Inzwischen sind viele Jahre vergangen. Yangzom hat nicht wie ihre Kollegen gleich einen Job als Ärztin angenommen, sondern ist mit unserem ROKPA-Team als Übersetzerin gereist und hat sich nebenbei
weitergebildet. Nun arbeitet sie in einem Programm zur Gesundheitsvorsorge. Sie fährt in die weit abgelegenen Dörfer und Nomadengebiete und hält Vorträge über Hygiene und darüber, wie man Krankheiten verhindern kann. Sie klärt ihre Zuhörer darüber auf, wie man Kondome benutzt, wie Krankheiten wie HIV, Hepatitis, TB sich verbreiten und wie sie verhindert werden können.
Gesundheitsvorsorge ist in den abgelegenen Gebieten eine große Herausforderung. Nach wie vor gibt es viele, die nie eine Schule besucht, nie gelernt haben, wie wichtig die tägliche Körperpflege ist. Yangzom spricht besonders Frauen an, es geht auch um Themen, die in der traditionellen Gesellschaft tabu sind. Sie erklärt, was beim Sex passiert, wie man verhütet, wie man sich während der Periode sauber hält und, dass man auch „Nein“ sagen kann. Aus dem schüchternen schmutzigen Waisenkind ist eine selbstbewusste Frau geworden. Sie ist ein Vorbild für die Frauen, die ihr interessiert zuhören. Viele von ihnen leben in großer Abhängigkeit der Männer, trauen sich nicht, sich zu wehren.
Yangzom macht ihnen Mut und rät zu mehr Selbstbewusstsein. Aus eigener Tasche finanziert sie die hilfreichen Dinge, die sie nach ihren Vorträgen ausgibt: Baumwollunterhosen, Binden, Kondome. Auf ihren Wegen trifft Yangzom auf viele Menschen, die HIV infiziert sind. Regierungsprogramme unterstützen die Betroffenen zwar kostenlos mit Medikamenten. Diese werden aber nur an zentralen Ausgabenstellen verteilt. Die Infizierten müssen weite Strecken fahren und oft fehlt das Fahrgeld. Wenn ihre Infektion bekannt wird, verlieren sie ihre Arbeit, ihre Freunde, und die Familie distanziert sich aus Angst vor Ansteckung. Sie haben nichts mehr. Yangzom versucht zu helfen, so viel sie kann. Sie sammelt gebrauchte Kleidung bei ihren Freunden, gibt Geld, wenn sie es übrig hat. Doch die Not ist groß.
Wir können helfen. Sie können helfen. Bitte spenden Sie an den Fonds „Familien und Patienten in Not“.
Ein Beispiel
Vater, Mutter und drei Kinder. Der Vater hat sich vor ein paar Jahren beim „Fremdgehen“ mit dem Virus angesteckt. Inzwischen ist er blind, seine Frau infiziert. Die Familie ist stigmatisiert, hat kaum Einkommen. Die Kinder sind im Schulalter, doch nur durch Vermittlung von Yangzom bekamen die beiden Älteren einen Schulplatz im entfernten Yushu. Das jüngere Kind hat zwar das Schulalter erreicht, wird aber nicht aufgenommen, weil es zu klein ist, eine Folge der Unterernährung. Jetzt ist die Familie in die größere Stadt, nach Yushu gezogen, wo sie keiner kennt, von ihrem Unglück weiß, wo die Kinder in der Schule sind. Doch die Miete muss bezahlt, das Essen muss gekauft werden. Nur wer nicht weiß, wie es um sie steht, gibt der Mutter noch Arbeit, mit der sie mühsam das Essen für die Familie zusammenverdient. Der Vater ist nicht mehr arbeitsfähig.