Es ist ein Sonntag Anfang September. Im tibetischen Bezirk Yushu ist seit ein paar Wochen Corona angekommen. Alle Leute, auch die aus den umliegenden Dörfern, müssen sich regelmäßig testen lassen. Gama Chujun, seine Frau und die drei Mädchen im Alter von zwei bis sechs Jahren sind auf dem Motorrad unterwegs vom Dörfchen Jelong in die Stadt Kyegu, zwei Stunden vom Dorf entfernt. Man fährt über holprige Straßen und dann passiert es: Gama Chujun verliert kurz die Kontrolle über das Fahrzeug, alle stürzen.
Nichts ist passiert, doch halt, die Kleinste, die zweijährige Tsering Kandro schreit wie am Spieß! Zum Glück sind sie nicht mehr weit von der Stadt entfernt, gehen ins tibetische Krankenhaus mit der Kleinen. Die Ärzte können nur feststellen, dass das Schienbein gebrochen, der Bruch kompliziert ist und man besser 800 Kilometer nach Xining ins nächstgelegene Kinderkrankenhaus fahre. So weit weg! Ein Schock für die ganze Familie. Sie leben davon, Pilze zu sammeln und zu verkaufen. Das ist ihr ganzes Einkommen. Ein kostspieliger Aufenthalt in einem Krankenhaus ist da nicht drin. Sie müssen Schulden machen, jahrelang daran abzahlen.
ROKPA Deutschland bekommt eine Nachricht von Chunga Lhamo. Sie hat sich eingeschaltet, fragt uns um Hilfe für die junge Familie. Gama Chujun ist inzwischen, zum Glück kostenfrei, mit Tsering Kandro nach Xining gefahren, in die Kinderklinik. Dreißigtausend chinesische Yuan würden mindestens gebraucht heißt es. Kann ROKPA Deutschland helfen?
Ja, wir können. Wir können von Ihren Spenden für medizinische Nothilfe in Tibet die ca. 4.300 Euro an Chunga Lhamo schicken und sie schickt das Geld Gama Chujun, der die anstehenden Rechnungen bezahlt. Er muss für das Bett im Krankenhaus bezahlen, für den Arzt, für das Essen und für die Medikamente, das Verbandmaterial. Da Gama Chujun nur zwei Jahre lang die Grundschule besucht hat, versteht er das Chinesisch der Ärzte nicht. Auch hier hilft Chunga Lhamo, die von ROKPA in Yushu als Ärztin der tibetischen Heilkunde ausgebildet wurde. Sie spricht Tibetisch, Chinesisch und Englisch. Per Telefon kommuniziert sie mit den Ärzten im Kinderkrankenhaus.
Die Ärzte wollen Tsering Kandro nicht operieren. Ihr Bein wird geschient, sie muss wochenlang liegen. Gama Chujun, ihr Vater bleibt bei ihr die ganze Zeit. Er muss sein Töchterchen waschen, ihre Kleidung in Ordnung halten, ihr zu Essen geben, nach den Schwestern oder Ärzten rufen, Medikamente kaufen gehen. So wie die anderen Eltern in diesem Kinderkrankenhaus, muss er die Arbeit machen, die bei uns in Deutschland die Pflegerinnen und Pfleger machen.
Vier Wochen später darf Gama Chujun mit Tsering Kandro wieder nach Hause. Noch immer muss sie eine Schiene tragen, bis der Bruch vollständig verheilt ist. Nun ist die Familie wieder beieinander. Und zum Glück, durch die Hilfe von ROKPA, durch Ihre Spenden für medizinische Nothilfe in Tibet, haben sie nach dem ganzen Schock nun nicht auch noch einen Berg Schulden. DANKE!