Als Ärztin der tibetischen Heilkunde hat Yangzom eine Stelle am tibetischen Krankenhaus in Shonda, Nangchen. In ihrer Freizeit hat sie sich über Jahre fortgebildet und gehört zu einer Gruppe von Ärzt:innen in den tibetischen Regionen Chinas, die sich der Aufklärung über die Entstehung von HIV, TB und Hepatitis verschrieben haben. Der Schlüssel für eine erfolgreiche Prophylaxe heißt Hygiene. An ihren freien Wochenenden reist Yangzom in die abgelegensten Gebiete der Präfektur Yushu und hält Vorträge, besonders für Frauen. Diese klärt sie darüber auf, wie die Krankheiten übertragen werden und wie das verhindert werden kann. Sie versucht auch, das Selbstbewusstsein der Frauen zu stärken und macht sie auf ihre Rechte aufmerksam. Oft muss sie die Zuhörer ein bisschen ködern, indem sie Geschenke verspricht, die die ZuhörerInnen bekommen sollen, wenn sie auch wirklich zugehört haben. Oft finanziert sie aus eigener Tasche diese Geschenke, nützliche und wichtige Dinge des täglichen Lebens: Kondome, Binden, Baumwollunterwäsche für Frauen, Seife.
Yangzom selbst sagt von sich, sie habe sich niemals gewaschen, bevor sie im Alter von 12 Jahren in der ROKPA-Schule in Yushu aufgenommen wurde. Auch wenn sich seit damals viel verändert hat und viele Menschen Smartphones und Fernseher besitzen, so sind die hygienischen Verhältnisse in den Dörfern noch immer sehr mangelhaft. Was für uns eine Zumutung darstellt, dass es kein fließendes Wasser im Haus und auch keine Toilette gibt, das ist in den ländlichen und abgelegenen Gebieten Normalität. Wasser kommt aus dem Bach oder Fluss. Manche Häuser haben fließendes Wasser, aber die Toilette ist weit weg auf dem Hof und normalerweise waschen sich die Leute das Gesicht und die Hände regelmäßig. Aber Baden oder Duschen macht man kaum, es sei denn man wohnt in der Nähe einer heißen Quelle. So ist es auch von der jeweiligen Familie abhängig, welchen Wert sie auf Reinlichkeit legt. Umso wichtiger ist die Arbeit von Yangzom bei der Aufklärung und Ermunterung, Hygieneregeln zu beachten.
Immer wieder trifft sie auf ihren kleinen Reisen durch die abgelegenen Gebiete auf Menschen oder ganze Familien in schrecklicher Not. So berichtete sie uns von zwei Schwestern. Die ältere von beiden, 86 Jahre alt, ist seit vierzig Jahren gelähmt und wird von ihrer 74jährigen Schwester gepflegt. Nun hat letztere Frau aber seit Jahren einen immer größer werdenden Tumor unterhalb ihrer Brust, der sie sehr behindert in der Ausübung ihrer Pflegetätigkeit. Beide wohnen in einer Art Altenheim, dennoch muss die eine Schwester die andere pflegen.
Ein anderer Fall: der Vater von sieben Kindern ist an AIDS gestorben. Er war ein Experte im Auffinden des „Caterpillar-Fungus“(-Pilzes), wovon die Familie ihr Jahreseinkommen bestritt. Nun hat die Familie keinen Vater und kein Einkommen mehr. Die Kinder im Alter zwischen zwei und fünfzehn Jahren sind abhängig von dem Wenigen, was die Regierung der Familie bezahlt.