Tröndrü in Tsintuk

Besuch bei Tsöndrü in Tsintuk 2016

Bericht von Barbara Pfeiffer im Rahmen einer privat organisierten Reise 2016. Header-Bild: Schangschub, Barbara und Tsöndrü

Von Yushu aus fahren wir circa eine Stunde in südwestlicher Richtung zum Dörfchen Tsintuk. Schangschub, Tsöndrüs Mutter nimmt uns am Tor in Empfang. In der Ecke ein kleiner Hund, der nach tibetischer Hundesitte wie wild an seiner Leine zerrt und furchterregend kläfft. Das Gelände ist umzäunt, ein großer Teil unbebaut, auf der zweiten Hälfte stehen drei kleine Häuser über Eck.

Besuch bei Tsödndrü
Hier wohnt Tsündrü

Schangschub bittet uns ins Haus rechts. Links von der Tür werfen wie einen Blick auf Vorräte und eine Arbeitsplatte, wo Speisen vorbereitet werden. Doch wirklich gekocht wird in der Wohnschlafküche, die wir gleich rechts betreten. Hier sitzt Tsöndrü auf ihrem Bett und erwartet uns freudig. Die 36jährige hatte 2009 einen folgenschweren Unfall bei der Landarbeit und ist vom 12. Wirbel ab querschnittsgelähmt und pflegebedürftig. Erst zwei Jahre zuvor hatte sie begonnen, als Ärztin der tibetischen Heilkunde zu arbeiten, wozu sie von ROKPA ausgebildet wurde. 2013 starben sowohl ihr Vater als ihr Onkel und sie wollte ihrer Familie nicht zur Last fallen. So kam es, dass sie sich durch Wundliegen so schwere Wunden zuzog, dass sie völlig entkräftet ins zweitausend Kilometer entfernte Chengdu ins Krankenhaus transportiert werden musste. Die Fleischwunden waren mehrere Zentimeter tief und eine hatte sogar ein Hüftgelenk entzündet, sodass sie mehrfach operiert werden musste.

Ihr größter Beistand war immer Schangtschub, ihre Mutter, die sie mit engelsgleicher Geduld und Fürsorge überall hin begleitet hat. Auch Tsöndrüs Geschwister halfen, wo sie konnten. Muss in China ein Patient ins Krankenhaus, muss die Pflege von den Angehörigen übernommen werden. Dazu kommen die enormen Kosten für das Klinikbett, die Medikamente, Hilfsmittel und nicht die Operationen. Ohne die Hilfe von ROKPA stünde die Familie vor dem völligen Ruin.

Tsöndrü
Tsöndrü an ihrem Stammplatz

Nun also sehe ich Tsöndrü das erste Mal in ihrem gewohnten Umfeld. Selbstverständlich wird uns zuerst Tee oder heißes Wasser angeboten, auf dem Tisch stehen „Dronumsä“ (wörtlich übersetzt „Weizen-Öl-Essen“), ein traditionelles tibetisches Fettgebäck und Walnüsse. Tschangtschub stellt Teller mit fleischgefüllten Momos vor uns, bietet Trockenfleisch an. Das habe ihre andere Tochter, Tsöndrüs Schwester selbst getrocknet, erfahre ich. Ich will wissen, wie das funktioniert, denn bei uns in Deutschland würde das garantiert schnell anfangen zu gammeln. Man müsse es in der trockensten Jahreszeit, so etwa im November in hölzernen Behältern lagern, da ginge das ganz schnell, erklärt man mir.

Tsöndrü wirkt fröhlich und gelassen. Nach ihrem Tagesablauf gefragt, erzählt sie, dass sie am Nachmittag immer von ihrer Mutter im Rollstuhl spazieren gefahren werde. Nicht allzu lange, denn noch immer habe sie eine Wunde, die nur schwer verheile und langes Sitzen im Rollstuhl schmerzhaft mache. Tsöndrü hat ihre Gebetskette um das Handgelenk geschlungen und verbringt vermutlich einen großen Teil des Tages mit dem Rezitieren von Mantras und Gebeten.

In einer Ecke der Wohnküche ist ein Fernseher. Das Haus ist weder isoliert noch hat es Doppelglasscheiben. In der Mitte steht der riesige schöne gusseiserne Ofen. Den habe sie von ihrem ersten Gehalt für die Familie gekauft, erklärt Tsöndrü, als ich ihn bewundere. Diese Öfen sind zum Heizen da, gleichzeitig wird hier ständig Wasser heiß gehalten und gekocht. Und sie sind so beschaffen, dass man bis zu einen Meter lange Holzscheite hineinstecken kann, wenn man nicht gerade getrockneten Yakdung verbrennt.

Doch dieser Ofen scheint auch die wichtigste Wärmequelle für das ganze Haus zu sein. Im Winter werden die Nächte so kalt, dass sie unter zwei dicken Bettdecken mit ihrer ganzen Kleidung schlafen müssen, erklärt Schangschub. Das Dorf liegt in einem Tal und in der kalten Jahreszeit kommt die Sonne erst um 11 Uhr hinter den Bergen hervor. Leider müssen wir bald weiter. Auf der Rückfahrt nach Yushu bin ich tief bewegt. Wenn immer ich Tsöndrü und ihrer Mutter begegne, bin ich im Herzen berührt davon, wie sie ihr Schicksal annehmen, trotz aller widrigen Umstände. ROKPA kann Menschen wie Tsöndrü helfen. Mit Ihrer Spende für medizinische
Hilfe in Tibet!