Karma Öster Wangchuk ist nicht nur Arzt der tibetischen Heilkunde und seit über 48 Jahre im Dienst der Gesundheit sondern auch Abt des Klosters und ein hoch angesehener Geistlicher. ROKPA Deutschland e. V. unterstützt ihn und seine Patienten mit Spenden. Auf einer Reise zur Inspektion von Projekten treffen wir ihn dort, wo die Universität seines Klosters in einem rot getünchten Gebäude auf einem Hügel thront. Wir haben eine abenteuerliche und beschwerliche Reise auf Lehmstraßen hinter uns, denn dieser Ort ist wirklich abgelegen.
Karma Öser nimmt uns in seinem Wagen mit und wir machen noch einen Besuch unterwegs.
Das Erdgeschoss tibetischer Häuser dient als Lager und Abstellraum für Brennstoff und Vorräte. Über eine steile Holztreppe gelangt man in den ersten Stock zu den Wohnräumen. Wir werden in eine große Wohnküche gebeten, an der der Hausherr am Ofen hantiert, Holz nachlegt. An der Wand sind bunt bemalte regalartige Schränke, in denen blank polierte Gerätschaften aus Kupfer stehen. Man reicht uns Tee, Trockenfleisch und einen Joghurt, der so fest, sahnig und fast konkurrenzlos lecker ist.
Während ich Joghurt schlecke, kommen die Patienten, die Karma Öser, den Arzt sehen wollen. Ganz dicht vor ihn setzt sich die junge Schwiegertochter des Hauses vor ihn auf den Boden. Karma Öser nimmt ihre Hand, fühlt sorgsam den Puls an verschiedenen Stellen an beiden Armen und er stellt leise und freundlich seine Fragen. Die junge Frau hat eine Plastikflasche mit gelblicher Flüssigkeit mitgebracht, der Arzt aufmerksam mustert und mir wird klar, dass es sich hier um eine Urinprobe handelt. Die Diagnostik in der tibetischen Medizin bezieht außer dem intensiven Fühlen des Pulses, der Inspektion von Zunge und Augen das Überprüfen der Farbe und Konsistenz des Urins mit ein. Dann schreibt Karma Öser das Rezept auf ein Blatt Papier, ebenso die Anleitung, wie häufig und in welcher Menge die Patientin die einzelnen Pillen nehmen muss. Anschließend kommen zwei Nachbarsfrauen, bei denen Karma Öser ähnlich verfährt. Bevor wir weiterfahren, geht Karma Öser mit einer Schale von ihm gesegneter Reiskörner betend durchs Haus indem er die Reiskörner in die Ecken wirft.
Der Ort Demkok liegt am Yangtse, der hier die Grenze zwischen der Provinz Sichuan und der Autonomen Region Tibet auf der anderen Seite bildet. Hier leben über 95% Tibeter. Der 16. Karmapa Rangjung Rikpe Dorje ist 1924 hier in Demkok geboren, woran eine Stupa in den Hügeln erinnert. Außerdem gibt es hier einen Tara-Tempel, den abends und morgens die Gläubigen mit ihren Gebetsketten umrunden.
Die Menschen kommen als Pilger in diesen Ort, aber auch um Karma Wangchuk Öser aufzusuchen. Er ist einer der wenigen Ärzte der tibetischen Heilkunde, die ihren Beruf von der Pike auf bei alten erfahrenen Ärzten gelernt haben. Diese Ausbildung dauert viele Jahre und beinhaltet außer dem Studium der Physiologie, Pathologie, Diagnostik und Therapie auch das Studium der Heilpflanzen, deren Vorkommen und die Herstellung der Medikamente.
„Früher sind wir in die Berge gegangen, um die Kräuter für die Pillen zu sammeln. Heute bin ich leider zu alt dafür und ich kaufe die tibetischen Medikamente aus Derge,“ sagt Karma Öser.
In der tibetischen Tradition bezahlt ein Patient lediglich für die Medikamente, die der Arzt verschreibt, es gibt aber kein Honorar für den Arzt.
Die Patienten kommen schon ab 7 Uhr 30, um sich ärztlichen Rat und ein Rezept geben zu lassen. Dreißig bis vierzig Patienten sieht er täglich. Er verschreibt nicht nur Pillen, sondern gibt auch Ratschläge zur Ernährung und Lebensweise. Die Patienten, die er nicht selbst behandeln kann, schickt Karma Öser in die Klinik nach Dartsendo, zwei Tagesreisen entfernt. Seine Patienten kommen mit Gallenleiden, Magenproblemen, Husten, Erkältungskrankheiten und Leberproblemen zu ihm. Die Medikamente, die er verschreibt, sind jeweils für einen Zeitraum von sieben Tagen gedacht. Sie kosten je nach Zusammenstellung zwischen 2,50 und 4,50 €.
Wenn die Beschwerden sich nicht gebessert haben, muss der Patient wiederkommen. Die Pillen, die Karma Öser verschreibt, bekommen die Patienten nebenan in der kleinen Apotheke seiner Praxis. Hier sind sie in der Region die preisgünstigsten und wenn jemand kommt, der gar kein Geld hat, bekommt die Medikamente kostenlos. Das kann Karma Öser nur beibehalten, weil ROKPA seine Praxis unterstützt. ROKPA unterstützt die Praxis von Karma Öser Wangchuk, weil hier den Menschen vor Ort geholfen wird, weil hier die alte traditionelle Heilweise bei der Bevölkerung geschätzt wird und weil sie effektiv und günstig ist.
Wenn Sie das unterstützen möchten, geben Sie bei Ihrer Spende „Tibetische Medizin“ als Zweck an.